Dr. Stefan Lang am 07. November 2016
Verbosity im Fachartikel: ausführlich oder langeweilig?
Kategorie Kampagne für Verständlichkeit
In einem wissenschaftlichen Fachartikel kann Verbosity („Wortfülle“) Ausführlichkeit bedeuten, aber auch Langatmigkeit. Da Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen keine Zeit zu verlieren haben, bevorzugen sie Texte, die Informationen direkt und prägnant auf den Punkt bringen – so ausführlich wie eben nötig, aber bitte „straight to the point“.
Ist Ihr Fachartikel langatmig oder langeweilig?
Das Gegenteil von „straight to the point“ ist „Verbosity“. Manchmal schreiben wissenschaftliche Autoren und Autorinnen sehr ausführlich, weil sie sich 100%ig korrekt ausdrücken und ja keinen Fehler machen wollen. Das ist in Ordnung.
Manchmal schreiben sie aber auch zu langatmig, weil sie sich nicht überlegt haben, was denn der springende Punkt in ihrem Fachartikel eigentlich ist. In jedem Fall leidet die Aufmerksamkeit des Lesers unter der Verbosity – denn Langatmigkeit und Langeweile sind enge Verwandte. Hier ein Beispiel:
- The design of the present trial aimed to compare patients with symptomatic knee osteoarthritis treated with vitamin D supplementation and patients with symptomatic knee osteoarthritis treated with placebo in order to determine differences in knee pain and knee cartilage volume between the two group of patients.[46]
Komprimieren Sie Ihren Fachartikel auf das Wesentliche
„Komm endlich mal zu Potte“, möchte man diesem Satz zurufen. Er umfasst 46 Wörter und es ist schwierig, ihn auf Anhieb zu verstehen (Satzlänge!). Was kann man also tun, um den Sachverhalt so ausführlich wie nötig, aber so prägnant wie möglich auszudrücken? An vier Stellen würde ich optimieren:
[1] The design of the present trial aimed to compare ist ein schönes Beispiel für Verbosity oder Langatmigkeit in einem Wissenschaftstext. Denn: Die Studie an sich vergleicht etwas – nicht ihr Design. Und sie beabsichtigt es nicht nur, sondern sie tut es: The trial compared the effects.
[2] Die Studie vergleicht also die Effekte zweier Behandlungen (vitamin D vs. placebo) auf ein Patientenkollektiv. Es gibt also keinen Grund patients with symptomatic knee osteoarthritis zu wiederholen – zu ausführlich, weil unnötig. Stattdessen: … compared the effects of vitamin D supplementation vs placebo in patients with symptomatic knee osteoarthritis.
[3] Die Formulierung to determine differences steckt bereits in to compare (was man in Fachartikeln meist streichen kann, ist das „in order“ vor „to“). Ebenfalls zu ausführlich und unnötig.
[4] Auch die Formulierung am Ende between the two group of patients ist eine unnötige Wiederholung. Denn: Es geht bereits aus der Nennung der beiden Behandlungsmodalitäten hervor, dass es zwei Gruppen waren. Zu ausführlich und langatmig: Verbosity.
Zusammengefasst sind es also folgende Formulierungen, die den Wissenschaftstext unnötigerweise aufblähen:
- The design of the present trial aimed to compare → The trial compared
- patients with … treated with (2 x) → vitamin D vs. placebo
- to determine differences = to compare
- in order to → to
- between the two group of patients → compared X vs Y (= 2 Gruppen)
Straight to the point in Ihren Wissenschaftstexten
Und so entsteht ein Satz, der ohne viel Schnickschnack direkt zum Punkt kommt – mit etwa der Hälfte der Worte:
- The present trial compared the effects of vitamin D supplementation vs placebo on knee pain and knee cartilage volume in patients with symptomatic knee osteoarthritis.[25]
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