Dr. Stefan Lang am 06. Juli 2018

Wissenschaftstexte: die Don´ts im ersten Satz


Kategorie Stilfragen

Viele Leser und Leserinnen entscheiden bereits nach dem ersten Satz, ob sie einen Wissenschaftstext zuende lesen wollen. Denn unwillkürlich ziehen sie vom Stil des ersten Satzes Rückschlüsse auf den Gesamttext. Daher sollte man sich beim ersten Satz keinen Fehler leistet, der den Leser nachhaltig verschreckt.

Zunächst die „Dos“ für den ersten Satz: Im ersten Satz (oder den ersten zwei Sätzen) will der Leser einfach und direkt erfahren, um was es in dem Wissenschaftstext grundlegend geht und warum das Thema wichtig ist.

Die Regel für die „Dos“ ist also simpel. Interessanter sind daher die Don´ts, das was man im ersten Satz vermeiden sollte. Denn jeder Leser und jede Leserin zieht unwillkürlich Rückschlüsse auf den Gesamttext und bricht die Lektüre vielleicht vorzeitig ab.

Der erste Satz eines Wissenschaftstextes entscheidet, ob Leser und Leserin weiterlesen.

Diese Don´ts sollten Sie im ersten Satz Ihres Wissenschaftstextes unbedingt vermeiden.

  • Beliebigkeit
  • ungelöste Probleme
  • Lehrbuch-Jargon
  • Chronologie
  • Unverständlichkeit

Beliebigkeit im ersten Satz, Text ohne Fokus

„Ganz gleich, ob Patienten sich in psychotischen, neurotischen, impulsiven oder depressiven Zuständen befinden, kann die Therapie mit XY die Symptomatik nachhaltig verbessern.“

Mag sein, dass sich dieser Wissenschaftstext bereits im zweiten Absatz auf eine bahnbrechend neue Therapie fokussiert – der Leser kommt gar nicht soweit. Denn der erste Satz klingt beliebig und der Leser erwartet entsprechend einen beliebigen Text ohne Fokus. Er denkt sich also:

Ok, wenn das alles ‚ganz gleich‘ ist, dann ist es auch ganz egal, ob ich weiter lese oder nicht.

Beliebigkeit am Textanfang eines Life Science Textes

Merke: „Ganz gleich, ob“ oder „Egal, ob“ am Textanfang verschreckt zuverlässig Leser und Leserin.

Ungelöste Probleme im ersten Satz, Text ohne Antworten

„Die aseptische Lockerung von zementierten Knie-Endoprothesen ist ein ungelöstes Problem …“

Das ist Standardanfangssatz in medizinischen Wissenschaftstexten: „… ist ein ungelöstes Problem.“ Entsprechend erwarten Leser und Leserinnen dann leicht auch vom Gesamttext nur offene Fragen und ungelöste Probleme. Doch Leser wollen Lösungen – keine Probleme.

Probleme habe ich zuhause genug.“, denkt sich der Leser und blättert zum nächsten Artikel.

Merke: „Ungelöste Probleme“ hat der Leser genug – er oder sie will Lösungen.

Lehrbuch-Jargon im ersten Satz, langweiliger Text

„Die Association of Pain Research hat Schmerz als eine unangenehme Erfahrung, die im Zusammenhang mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung steht, definiert.“

Ein solcher Satz ist gleich aus zwei Gründen ein Lese-Killer: Erstens klingt er nach einem alten und verstaubten Medizin-Lehrbuch (das liegt an diesem „hat … als … definiert“). Früher war es vielleicht üblich, dem Leser erst einmal ein paar medizinische Definitionen um die Ohren zu hauen. Heute macht man das nicht mehr. Denn der Leser denkt sich:

„Ein Lehrbuch? Brrrrr!“

Definition von Schmerz am Textanfang eines Life Science Textes

Der Leser vermutet also nach diesem ersten Satz, dass der gesamte Text in diesem Lehrbuch-Slang geschrieben ist. Der zweite Grund: Ein Zitat am Textanfang ist nur spannend, wenn man denjenigen kennt, der da spricht. Association of Pain Research? Nie gehört.

Merke: Niemand liest gerne Texte im Lehrbuch-Jargon.

Chronologie im ersten Satz, langatmiger Text

„Die Folgen des obstruktiven Schlafapnoesyndroms wurden erstmalig vor 45 Jahren beschrieben.“

Intuitiv erwartet nun der Leser dieses medizinischen Textes, erst einmal einen historischen Abriss über die letzten 45 Jahre über sich ergehen lassen zu müssen, bevor er oder sie etwas Interessantes über das Schlafapnoesyndrom erfährt.

Das dauert mir zu lange, ich muss weg“, denkt er sich und weg ist er.

Merke: Keine chronologische Herleitung am Anfang eines medizinischen Textes.

Unverständlichkeit im ersten Satz, unverständlicher Text

„In Publikationen der HP-Studiendaten und entsprechenden HPII-Sekundäranalysen und Übersichtsarbeiten, werden Schlussfolgerungen zahlreicher Wissenschaftler zitiert, dass nämlich die Studienergebnisse zum therapeutischen Nutzen des Medikaments XY den Umfang erreichten, die seinerzeit die Wahrnehmung des präventiven Nutzens von Acetylsalicylsäure rechtfertigten.“

Satzlänge, Grammatik, nicht erklärte Abkürzungen, Wording: Dieser Satz ist unverständlich oder zumindest sehr schwer verständlich. Niemand möchte einen Text lesen, der so geschrieben ist.

Muss man nicht drüber reden: Unverständlichkeit verschreckt den Leser.

So macht man es besser beim ersten Satz eines wissenschaftlichen Textes

Fünf Fehler, die es zu vermeiden gilt. Wie man es besser macht – dazu gab es schon einmal einen Blog-Beitrag; ein weiterer ist in Arbeit. Und wie man speziell für sein Research Paper oder seine Doktorarbeit einen gelungenen Einstieg findet, erfahren Sie in meinen Ratgebern.

Dr. Stefan Lang

Die medizinische Doktorarbeit – Schreiben mit System

Eine praktische Anleitung


Eine medizinische Doktorarbeit zu schreiben, ist wie eine Bergwanderung: Man braucht eine Karte, die den direkten Weg zum Ziel weist. Dieses Buch ist eine solche Karte. Es gliedert den Schreibprozess in Etappen, die die Promovierenden schrittweise absolvieren können.


Die medizinische Doktorarbeit – Schreiben mit System

kaufen bei


Paperback ISBN : 978-3-7482-9382-8
Hardcover ISBN :
978-3-7482-9383-5
E-Book ISBN : 978-3-7482-9384-2