Dr. Stefan Lang am 25. April 2018

Doktoranden – verheizt und ausgenutzt


Kategorie Schreib- und Publikationsprozess

Viele Doktoranden fühlen sich verheizt – volle Arbeit bei halbem Gehalt und dazu Überstunden, Nachtschicht und Wochenendarbeit. Sie robben auf dem Zahlfleisch und alles, was sie aufrecht hält, ist die Aussicht, dass es irgendwann besser wird. Nach dem „Doktor“.

Burn-out bei Doktoranden und Doktorandinnen? Nennen wir es Burn-out, Frust, depressive Verstimmung. Woran liegt es, wenn Promovierende auf dem Zahnfleisch gehen, vor Stress nicht mehr aus und noch weniger ein wissen? Was ist der Grund, dass so manche Doktorarbeit selbst die sonnigsten Gemüter in die Knie zwingt?

Doktorarbeit & Burnout – die möglichen Gründe:

  • Stressresistenz: eine Frage der Persönlichkeit?
  • Alleingelassen: mangelnde Betreuung
  • Niemals am Ziel: kein klar definiertes Thema
  • Drohende Arbeitslosigkeit: Was kommt nach der Doktorarbeit?

Doktorarbeit & Burnout: eine Frage der Persönlichkeit?

Nicht immer ist es nur der Chef, der Stress macht. Oftmals liegt es einfach am Projekt: Wenn man für seine Versuche zuerst ein rekombinantes Protein aufreinigen muss, aber die Ausbeute aus der Zellkultur aberwitzig gering bleibt – klar, das kann ein großer Stressfaktor sein.

Auf jeden Fall für Persönlichkeiten, die eher defensiv sind und die Schuld gern bei sich suchen. Die Folge: Sie arbeiten noch mehr, beginnen in der Zellkultur eine ungeheure Materialschlacht und betreiben Raubbau an der eigenen Gesundheit – und das alles für die Doktorarbeit.

In einer solchen Stress-Situation hört man auf, nüchtern nachzudenken oder kreativ zu sein. Die zündende Idee, wie man die Proteinausbeute steigern könnte, bleibt aus.

Nicht so bei denen, die selbstbewusst auf ihre Work-Life-Balance achten und sich von den expressionsunwilligen Zellen nicht stressen lassen: „Die Ausbeute wieder einmal zu gering? Ich geh trotzdem joggen.“ Und so kommt es, dass zwischen Kilometer neun und zehn plötzlich die Idee aufpoppt, es einmal mit einem anderen Zelltyp und / oder FCS-Entzug zu probieren.

Das Umfeld der Doktorarbeit

Das soll natürlich nicht heißen, dass es immer an einem selbst liegt. Oft, sehr oft liegt es am Chef oder Betreuer der Doktorarbeit. ‚Betreuen‘ bedeutet eben mehr als nur sporadisch im Labor aufzutauchen, ein paar Röntgenfilme gegen das Licht halten und einen Ausdruck vom aktuellen Konkurrenz-Paper auf die Bench zu knallen. Ein methodisches Problem wie das der mangelhaften Proteinexpression sollte man eigentlich gemeinsam lösen. Denn Doktoranden sind nicht allwissend und eine Doktorarbeit muss nicht im Einzelkämpfer-Modus und nach dem Trial & Error-Prinzip ablaufen – auch wenn das traurige Tradition ist.

Man muss eine schlechte Betreuung nicht einfach schlucken und sich allein durchbeißen. Man kann sich Hilfe suchen, im schlimmsten Fall die Stelle wechseln. In jedem Fall aber lohnt es sich, vor Beginn der Doktorarbeit einmal bei den Ehemaligen oder bei den BTAs oder MTAs im Labor nachzufragen, wie denn die bisherigen Doktorarbeiten so gelaufen sind.

Das Thema der Doktorarbeit

Es gibt leichte Themen und es gibt schwere Forschungsthemen. So richtig stressig wird es jedoch gerade, wenn ein definiertes Thema einfach … fehlt. Wenn man also nur auf Zuruf Arbeiten ausführt, deren Sinn und Ziel einem niemand erklärt hat, fehlen zwangsläufig die Erfolgserlebnisse. Hat man zusätzlich einen Chef, der seine Mitarbeiter nach dem Motto „Lob verdirbt den Charakter“ führt, fühlt man sich schnell wie im Hamsterrad. Steht dann irgendwann das Zusammenschreiben der Doktorarbeit an, potenziert sich der Stress. Denn wie soll man aus dem Sammelsurium aus Teilprojekten eine zusammenhängende Story basteln?

Auch aus diesem Grund sollte man sich noch vor der Beginn der Doktorarbeit ausführlich mit dem zukünftigen Betreuer unterhalten – nicht zwischen Tür und Angel, sondern in Ruhe und zu einem festgesetzten Termin. Ist der Betreuer nicht in der Lage, das Thema prägnant und verständlich zu definieren und mögliche methodische Vorgehensweisen zu beschreiben, sollte man skeptisch werden und sich eventuell nach Alternativen umsehen.

Was kommt nach der Doktorarbeit?

Die Frage nach dem danach ist ein weiterer Stressfaktor – befristete Verträge, das Bangen um den Drittmittelantrag, das Damoklesschwert der Arbeitslosigkeit? Viele talentierte Wissenschaftler haben sich bei solchen Aussichten schon für die ‚sichere‘ Variante Pharmareferent entschieden – brain drain: der akademischen Forschung gehen die guten Leute flöten. Wundern kann man sich darüber nicht.

Fazit

Die Doktorarbeit schadet der geistigen Gesundheit“, schreibt Martin Ballaschk auf SciLogs. Neben den persönlichen Gründen und den vagen Zukunftsaussichten, die natürlich auch bei anderen Berufen etwas mit einem Burn-out zu tun haben können, liegt das nach meiner Meinung am direkten Arbeitsumfeld: fehlende Betreuung, mangelnde Wertschätzung, kein klar definiertes Thema. Ändern wird sich vermutlich erst etwas, wenn der akademischen Forschung die Doktoranden und Postdocs ausgehen – oder wenn sich herumspricht, dass ungestresste Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kreativer sind.

Dr. Stefan Lang

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