Dr. Stefan Lang am 10. Mai 2018

Wissenschaftliches Schreiben: Droht der Burn-out bei der Doktorarbeit?


Kategorie Schreib- und Publikationsprozess

In meinen Scientific-Writing-Workshops begegne ich immer wieder Teilnehmende, die das wissenschaftliche Schreiben unheimlich stresst. Unter Druck schreiben zu müssen, führt selten zu guten Texten – daher versuche ich hier einmal dem Phänomen ‚Schreib-Stress‘ auf den Grund zu gehen.

Klar trifft der Schreib-Stress gerade diejenigen Promovierenden am heftigsten, die wenig oder keine Schreiberfahrung besitzen. Aber auch für manchen „alten Hasen“, der in einer Medizintechnik-Firma oder einem Pharma-Unternehmen arbeitet, bedeutet das Zusammenschreiben seiner Forschungsergebnisse den puren Stress .

Stressfaktor: Software

Das betrifft vor allem Promovierende im Fach Medizin. Wer während des Studiums fast keinen zusammenhängenden Text schreiben musste, hat sich nie intensiv mit Word & Co. beschäftigt. Die Seitenzahlen erscheinen nicht da, wo sie sollen? Das Literaturverzeichnis sieht nicht so aus, wie es soll? Das Layout der Doktorarbeit – wie Kraut und Rüben?

Das alles sind jedoch keine wirklichen Probleme – Online-Tutorials und Ratgeberliteratur zu diesen Fragen gibt es zuhauf.

Zu Problemen werden diese Fragen, wenn man sich erst während des Schreibprozesses mit solchen Dingen beschäftigt – oder sogar erst knapp vor dem Abgabetermin der Doktorarbeit.

Denn dann bricht alles gleichzeitig über einem hinein: wissenschaftliche Fragen, formale Fragen und eben Software-Fragen.

  • Abhilfe: Sich rechtzeitig vor Beginn des Schreibprozesses mit seiner Software beschäftigen.
  • Textverarbeitung: Sie sollten mit Formatvorlagen arbeiten (wichtig für Inhaltsverzeichnis) und die wichtigsten Layout-Feauters kennen (Schriftarten und -größen, Kopf- und Fußzeile)
  • Literaturverwaltung: Machen Sie sich mit den wichtigtsen Funktionen vertraut (Zitate im Text, Literaturverzeichnis)

Stressfaktor: Planfreiheit beim wissenschaftlichen Schreiben

Wer keinen Plan hat, wo die Reise hingeht, wird Irrwege einschlagen, sich verlaufen und nur gehetzt und gestresst ans Ziel kommen. Beim wissenschaftlichen Schreiben ist es genauso: Ohne seine wissenschaftliche Story einmal fixiert zu haben, schreibt man seine Doktorarbeit oder sein Paper meist nur ins Blaue hinein und muss dann meist in ausufernden Korrekturrunden seinen Text gerade biegen.

  • Abhilfe: Das kann man verhindern, indem man sich vorher einen Plan macht und ein paar grundlegende Informationen zusammenträgt. Bei einer Doktorarbeit sind es die folgenden Eckpunkte:
  → Was war der Grund für mein Forschungsprojekt? (Relevanz)
  → Was wollte ich herausfinden? (Fragestellung)
  → Was habe ich dafür getan? (Methodischer Ansatz)
  → Was habe ich herausgefunden? (Ergebnisse)
  → Wie habe ich das interpretiert? (Schlussfolgerung)

Stressfaktor: Vorgesetzte, Doktorvater und Doktormutter

Vorgesetzte, Doktorväter und -mütter – sie werden oftmals ungewollt zu Stressfaktoren. Der Grund: Oft beschäftigen sie sich erst dann mit dem Text, wenn die Doktorarbeit vollständig ausformuliert vor ihnen liegt. Dann werden Wörter auf die Goldwaage gelegt, Formulierungen verbessert, ganze Passagen verschoben, gelöscht, ergänzt. Es ist viel Arbeit, in einem einzigen Korrekturschritt inhaltliche Probleme, argumentative Fragen, formale Anforderungen und stilistische Aspekte zu bearbeiten – viel Arbeit für den, der korrigiert, und eben viel Stress für den, der das dann umsetzen muss.

  • Abhilfe: Inhalt und Argumentation kann man in einem separaten Schritt bearbeiten – zum Beispiel bereits nachdem die Gliederung erstellt wurde. Das anschließende Schreiben der Rohfassung geht dann schon einmal in die richtiger Richtung. Formales und Stil bleibt dann für die Schlusskorrektur der Doktorarbeit oder des Papers.

Stressfaktor: Die Persönlichkeit der Promovierenden

Wer jeden einzelnen Satz kritisch hinterfragt, sobald er geschrieben ist, ihn anschließend direkt überarbeitet oder sogar löscht, bewegt sich nur in ganz kleinen Schritten auf sein Ziel zu (hierzu: Mit dem Bleistift gegen Schreibblockaden).

  • Abhilfe: Auch hier hilft der strukturierte Schreibprozess: Zuerst Absatz für Absatz eine verständliche Rohfassung der Doktorarbeit schreiben und dann kritisch korrekturlesen – das spart Zeit.

Manche sehr akribische Autoren und Autorinnen versuchen auch, aus jedem einzelnen Satz ein allgemein-gültiges Manifest zu machen, das alle Details, alle möglichen Einschränkungen und jedes Wenn und Aber enthält. Mühsam – sowohl so etwas zu schreiben als auch so etwas zu lesen.

  • Abhilfe: Betrachten Sie die Sätze Ihrer Doktorarbeit nie losgelöst von den anderen. Auf den Zusammenhang kommt es an.

Stressfaktor: Multitasking während des wissenschaftlichen Schreibens?

Multitasking funktioniert beim wissenschaftlichen Schreiben nicht. Wer wissenschaftliche Inhalte verständlich kommunizieren möchte, kann sich nicht gleichzeitig mit Stilfragen und Formalitäten auseinandersetzen. Wer an schwierigen Textpassagen arbeitet, sollte nicht gleichzeitig beginnen, Literaturquellen zu recherchieren und Abbildungen und Tabellen zu optimieren – WhatsApp, Twitter und Facebook sollten während der Schreibphase sowieso schweigen. Sonst wird das nichts mit der Doktorarbeit (weitere Zeitkiller).

  • Abhilfe: Gliedern Sie den gesamten Schreibprozess in einzelne Schritte, zum Beispiel in Literaturrecherche – Rohfassung des Textes – stilistische und formale ÜberarbeitungOptimierung von Abbildungen und Tabellen. Einen Vorschlag, wie man den Schreibprozess am besten in sinnvolle Etappen gliedert, gibt es hier: „Die medizinische Doktorarbeit: Schreiben mit System“ oder im Paper-Protokoll beschrieben.

Fazit

So – das waren meine Gedanken zum stressfreien Schreiben. Ist doch einen Versuch wert?

Dr. Stefan Lang

Die medizinische Doktorarbeit – Schreiben mit System

Eine praktische Anleitung


Eine medizinische Doktorarbeit zu schreiben, ist wie eine Bergwanderung: Man braucht eine Karte, die den direkten Weg zum Ziel weist. Dieses Buch ist eine solche Karte. Es gliedert den Schreibprozess in Etappen, die die Promovierenden schrittweise absolvieren können.


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