Dr. Stefan Lang am 20. Juni 2018
Das wissenschaftliche Poster – kein kondensierter Fachartikel
Kategorie Kampagne für Verständlichkeit
Auf Kongressen und Konferenzen sieht man sie immer wieder: überladene wissenschaftliche Poster – ganz nach dem Motto ‚Quantität vor Qualität‘. Der Grund: Viele Wissenschaftler halten das wissenschaftlichen Poster für das großformatige Pendant eines Fachartikels. Das ist es jedoch nicht.
Das wissenschaftliche Poster ist kein Fachartikel
Versucht man den gesamten Informationsgehalt eines Fachartikels auf einem wissenschaftlichen Poster unterzubringen, ist man schnell gezwungen die Schriftgröße zu verkleinern, die Lücken zwischen Text und Abbildungen zu minimieren und mit allerlei Fußnoten zu hantieren.
Am Ende hat man ein Poster, das sich niemand auf einer wissenschaftlichen Konferenz ansehen möchte. Denn: Versuchen Sie einmal einen vollständigen Fachartikel im Stehen und mit dem Gemurmel der anderen Kongressbesucher im Hintergrund aufmerksam zu lesen. Es wird Ihnen nicht gelingen.
Der Informationsgehalt unterscheidet sich
Der allgemeine Informationsgehalt entspricht eher dem Abstract
Es ist ein Trugschluss zu glauben, für Fachartikel und Poster gelten die gleichen Regeln. Tun sie nicht. Während der Fachartikel neben den eigenen Forschungsergebnissen allerlei Hintergrundinformationen präsentieren muss, beschränkt sich der Informationsgehalt eines Posters im Wesentlichen auf den Abstract.
Einleitung und Hintergrund
Was muss der Betrachter eines Posters wissen, um die Fragestellung interessant zu finden und die Ergebnisse verstehen zu können? Beschränken Sie sich auf Ihrem Poster auf die Relevanz Ihres Forschungsprojektes und erklären Sie nur die wichtigsten ‚Mitspieler‘ wie Wirkstoffe oder Moleküle.
Müssen Sie Vorarbeiten nennen? Nein. Müssen Sie den Hintergrund als Fließtext verfassen? Nein. Sie dürfen auf einem Poster die wichtigsten Fakten stichpunktartig als Bullet Points präsentieren. Das ist also ganz anders als bei der Introduction eines Papers.
Fragestellung
Im Gegensatz zum Paper wird auf einem Poster die Fragestellung nicht einfach im letzten Absatz der Introduction genannt, sondern erhält einen eigenen, grafisch abgehobenen Abschnitt – wichtig!
Methodik
‚Reproduzierbarkeit‘ ist das Zauberwort, das für Originalartikel gilt – nicht jedoch für wissenschaftliche Poster. Der Betrachter eines Posters will das methodische Prinzip verstehen: Was wurde womit gemacht?
Auch muss man ein komplexes Studiendesign nicht in 1000 Worten erklären, wenn es ein einfaches Diagramm auch tut. In einem Paper muss man dagegen die Methodik im Detail erklären.
Ergebnisse
Vorarbeiten und Optimierungsversuche? Wissenschaftliche Poster bieten dafür keinen Platz. Drei bis fünf echte ‚Knaller‘ ist das, was der Besucher sehen und in weniger als zwei Minuten verstehen will. Formulieren Sie im Text ‚Ergebnisse‘. ‚Daten‘ zeigen Sie in Abbildungen und Tabellen.
Schlussfolgerung
Ein Poster sollte eine prägnante Schlussfolgerung nennen, eine knappe Beantwortung der Fragestellung. Eine detailreiche Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext oder eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Ergebnisse, wie man sie in Originalartikeln liest – dafür ist auf dem Poster kein Raum.
Formulieren Sie für Ihre Schlussfolgerung 3 bis 5 prägnante Bullet-Points. Übrigens müssen Sie Ihre Schlussfolgerung, also die Kernbotschaft, nicht am Ende bzw. am unteren Rand des Posters platzieren. Sie können sie auch an den Anfang setzen, als „Main findings“.
Fazit
- Wenn Sie Ihr wissenschaftliches Poster planen, dann gehen Sie vom Informationsgehalt Ihres Abstracts aus – und nicht vom Umfang Ihres Fachartikels.
- Nutzen Sie alle Möglichkeiten sich kurz zu fassen: Benutzen Sie auf Ihrem wissenschaftlichen Poster Listen, Tabellen und Abbildungen.
- Testen Sie, ob man Ihr wissenschaftliches Poster in zwei bis drei Minuten lesen kann. Denn mehr Geduld werden die wenigsten Kongressbesucher aufbringen.
Mehr Tipps für wissenschaftliche Poster
… zur Gestaltung eines wissenschaftlichen Posters finden Sie in meinem neuen Ratgeber „Wissenschaftliche Poster – vom Kongressabstract bis zur Postersession“.
Dr. Stefan Lang
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