Dr. Stefan Lang am 11. Februar 2025

Probleme deutscher Autoren mit dem Wissenschaftsenglisch


Kategorie Scientific English

Die Akzeptanzrate von Originalartikeln, die von englischen Muttersprachlern geschrieben wurden, ist höher als die der Nicht-Muttersprachler. Sicherlich liegt das nicht an der Qualität der Forschung, sondern an der der sprachlichen Datenpräsentation. Aber wie ist definiert, ob ein Artikel „well written“ ist? Laut eines Editorials von R. Coates et al. ist das entscheidende Kriterium die Klarheit. Lesen Sie also hier, welche sprachlichen Probleme und Fehler die Klarheit in einem Originalartikel, der von deutschen Autoren und Autorinnen geschrieben wurde, am meisten beeinträchtigen.

Zwar gibt es keinen linearen Zusammenhang zwischen der Gesamtfehlerquote in einem Originalartikel und seiner Akzeptanz. Andererseits haben laut einer Untersuchung von Coates et al. [1] Nationalitäten mit einer niedrigen Fehlerquote (amerikanische und britische Autoren mit 21,9 und 23,1 Fehlern pro Artikel) eine höhere Akzeptanzrate (31,8 %; 29 %) als andere Länder, wie etwa Italien (Fehlerquote 48,6; Akzeptanz: 9%). Die verschiedenen sprachlichen Fehler im Originalartikel haben eines gemeinsam: Sie beeinträchtigen die Klarheit des Papers.

Das sind die sprachlichen Probleme, die die Klarheit eines wissenschaftlichen Originalartikels am häufigsten beeinträchtigen:

  • Grammatikfehler (Passiv, Zeitformen, allg. Grammatikfehler)
  • Syntaxfehler (Satzlänge, Satzbau)
  • Fehler in der Wortwahl (Jargon, Hauptwörterei)

Grammatikfehler

Passiv: Ein hoher Anteil passiver Formulierungen kann die Klarheit eines wissenschaftlichen Textes direkt oder indirekt beeinträchtigen. Da im Passiv das Subjekt, der „Täter“, nicht eindeutig benannt werden muss (it has been found) entsteht oft eine Grauzone, die dem Leser verschiedene Interpretationen erlaubt. Zusätzlich wirken passive Formulierungen oft sehr distanziert und unpersönlich, was die allgemeine Aufmerksamkeit beim Lesen schmälert.

Deutsche Autoren und Autorinnen hatten in der Untersuchung von Coates et al. [1] mit 0,97 das höchste Passiv-zu-Aktiv-Verhältnis, gefolgt von den französischen (0,84) und italienischen Autoren (0,79). Am geringsten war dieses Verhältnis bei amerikanischen und schwedischen Autoren (beide 0,58).

Zeitformen und andere Grammatikfehler: Fehler dieser Kategorie hinterlassen bei Herausgebern und Gutachtern den Eindruck der „general sloppiness“: Wer einen schlampigen Text abliefert, hat bestimmt auch schlampig im Labor oder in der Klinikgearbeitet.

Bezüglich falsch gewählter Zeitformen gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Nationalitäten, wohl aber innerhalb der sonstigen Grammatikfehler. Hier hatten amerikanische und britische Autoren natürlich die geringste Fehlerquote (2,1; 2,4). Die deutschen Autoren lagen im Mittelfeld (6,7). Die höchste Fehlerquote wurde bei italienischen Autoren gefunden (13,9), was mit der geringen Akzeptanz ihrer Artikel korrelierte (9%).

Syntaxfehler

Satzlänge: Ein Satz, der so lange ist, dass man ihn nicht mehr auf Anhieb verstehen kann, macht das komplette Paper kaputt. Das ist auch keine Dosisfrage mehr, denn „a few long rambling sentences (often as long as a paragraph) would make a whole article sometimes incomprehensible whereas a relatively large number of lexical ‘errors’ would often have no effect on an otherwise well-written article” [1].

Besonders deutsche und französiche Autoren und Autorinnen neigen dazu, zu lange Sätze zu formulieren. Ihre Werte lagen bei 5,5 und 5,6 (die der anderen bei <3).

Satzbau: Syntaxfehler entstehen, wenn im Englischen der normale subject-verb-completer Satzbau unterbrochen wird, etwa durch einen oder mehrere Nebensätze oder Klammereinschübe.

Deutsche Autoren und Autorinnen lagen bei den Satzbau-Fehlern im Mittelfeld (3,8). Die höchsten und niedrigsten Werte fanden sich bei französischen (5,4) und amerikanischen Autoren (0,6).

Wortwahl

Jargon: Mit „Jargon“ ist eine unnötigerweise komplexe Wortwahl gemeint. Insofern ist das kein Fehler im engeren Sinn, gleichwohl kann ein übermäßiger Jargon die Verständlichkeit eines Originalartikels sehr wohl beeinträchtigen.

Die Regel lautet: Wähle stets das einfachere Wort, wenn es den gleichen Zweck erfüllt und ausreichend präzise ist (z.B. statt „hepatopetally“ und „hepatofugally“ einfach „towards“ bzw. „from the liver“).

Die Länder, in denen offensichtlich eher ein allzu fachspezifischer Jargon benutzt wird, sind Frankreich (9,4), Schweden (8,4) und Japan (7,9). Zum Vergleich: UK (4,6), USA (6,1), Deutschland (7,1).

Hauptwörterei: In Fachtexten ist die Hauptwörterei eine weitverbreitete Stilsünde. So werden gerne natürlich klingende Verben durch Hauptwörter („for the treamtent of…“ statt einfach „to treat“) oder kurze Adverbien durch umständliche Hauptwortkonstruktionen ersetzt („in a specific way“ statt einfach „specifically“).

An diesem Stilproblem sollten wohl alle arbeiten, deren Muttersprache nicht Englisch ist, denn dieser „noun misuse“ lag bei ihnen zwischen 9,7 (Schweden) und 14,6 (Frankreich; zum Vergleich: Deutschland 10,7). Die Native-Speaker haben dieses Problem offensichtlich in einem weit geringeren Ausmaß (UK: 4; US: 6,4).

Fazit: Worauf deutsche Autoren besonders achten sollten

Wo müssen wir uns also als deutsche Autoren und Autorinnen besonders am Riemen reißen, wenn wir englischsprachige Originalartikel publizieren möchten?

Probleme beim Wissenschaftsenglisch von deutschen Autoren und Autorinnen im internationalen Vergleich.
  • Passiv: Sorgen Sie für ein ausgewogenes Passiv-Aktiv-Verhältnis!
  • Satzlänge: Schreiben Sie kurze Sätze, jede wichtige Information verdient ihren eigenen Satz!
  • Jargon: Haben Sie die Wahl zwischen zwei Begriffen, dann wählen Sie den einfacheren!
  • Hauptwörterei: Benutzen Sie für Tätigkeiten Verben und keine Hauptwörter.

Quelle

[1] Coates R, Sturgeon B, Bohannan J, Pasini E. Language and publication in Cardiovascular Research articles. Cardiovascular Research 53 (2002). 279–285.