Dr. Stefan Lang am 04. September 2017

Statistik: Standardabweichung oder Standardfehler nach Gusto?


Kategorie Statistik

Ein Kollege gab mir mal den nicht ganz ernst gemeinten Rat: „Wenn die Unterschiede zwischen den Versuchsansätzen klein sind, nimm für deinen Fachartikel den Standardfehler SEM und hoffe, dass deine Leser denken, es wäre die Standardabweichung SD.“

Standardabweichung oder Standardfehler in der Statistik – keine Frage der Kosmetik

In der Statistik lassen sich Standardabweichung (standard deviation, SD) und Standardfehler (standard error of the mean, SEM) problemlos ineinander umrechnen:

SD = SEM x Wurzel aus n (Stichprobenumfang).

Und tatsächlich: Beträgt der SEM von 24 Proben 0,2, dann ist der SD mit 0,98 deutlich größer (0,2 x 4,89). In einem Balkendiagramm eines wissenschaftlichen Fachartikels oder einer Doktorarbeit sieht der SEM also „schöner“ aus als der SD (Abb. unten).

In der Statistik etwas zu „schönen“ ist natürlich nicht zulässig. Es bringt auch nichts, denn Sie müssen im Manuskript, in Ihrem Paper oder in Ihrer Doktorarbeit, ja eindeutig sagen, ob Sie die Mittelwerte ± SD oder ± SEM angegeben haben – der Versuch, Ihr Balkendiagramm mit dem SEM zu polieren, würde also gar nicht funktionieren.

Standardabweichung und Standardfehler sind nicht das Gleiche

Vor allem unterscheiden sich SD und SEM grundlegend. Die Standardabweichung SD gibt die Streuung an – also um wie viel sich die einzelnen Werte voneinander unterscheiden. Der mittlere Fehler SEM drückt dagegen aus, wie gut man den wahren Mittelwert kennt – SEM gibt die theoretische Streuung der Gruppenmittelwerte aus verschiedenen Stichproben an.

  • SD: Streuung der Werte einer Stichprobe
  • SEM: Genauigkeit des Mittelwerts einer Stichprobe

Und was nehme ich nun für die Fehlerbalken?

SD für gestreute Einzelwerte

Was angebracht ist in einem Paper oder in einer Doktorarbeit, SD oder SEM, hängt davon ab, was man zeigen möchte. Wenn man viele Einzelwerte hat, möchte man wahrscheinlich die Streuung dieser Werte angeben. Das könnte man auch mit einem Scatter-Plot tun, der ja die tatsächlichen Werte zeigt und somit die Streuung bildlich darstellt. Wenn es jedoch zu viele Werte sind, wird es unübersichtlich und der Mittelwert ± SD kommt ins Spiel (Abb. unten).

SEM für den Vergleich von Mittelwerten

Und der SEM? Wenn man zum Beispiel Mittelwerte vergleichen möchte (z.B. t-Test), möchte man evtl. zeigen, wie präzise der jeweilige Mittelwert tatsächlich erhoben werden konnte. Dafür ist der Standardfehler gedacht (daher hängt der SEM auch von dem Stichprobenumfang und von der Standardabweichung SD ab). Das könnte man freilich auch mit dem Konfidenzintervall tun.

Vier Varianten für den Fachartikel und die Doktorarbeit

In dem Balkendiagramm eines Research Papers kann man den Mittelwert zusammen mit der Streuung, der Standardabweichung, dem mittleren Fehler oder dem Range angeben.

Entscheiden Sie, was Sie in Ihrem Fachartikel oder in Ihrer Doktorarbeit zeigen möchten, also den Mittelwert ± SD, den Mittelwert ± SEM, einen Scatter-Plot oder auch den Mittelwert mit den entsprechenden Minimal- und Maximalwerten (Range).

Prinzipielle Überlegungen, welche Darstellungsart (Tabelle, Grafik, Abbildung) für welches Ergebnis am besten passt, finden Sie auch im Paper-Protokoll, im Ratgeber für medizinische Doktorarbeiten oder in meiner Anleitung für wissenschaftliche Poster.