Dr. Stefan Lang am 07. August 2018

Schreibblockade – probier´s doch mal ganz anders beim Scientific Writing


Kategorie Schreib- und Publikationsprozess

Manchmal begegnen mir in meinen Scientific-Writing-Kursen Leute, die am wissenschaftlichen Schreiben verzweifeln. Mühsam, Wort für Wort und Satz für Satz, quälen sie sich durch einen Absatz oder Abschnitt – nur um am Ende weite Teile ihres Textes wieder zu löschen. „Zu schlecht, klingt blöd!“, denken sie. Ein paar Wochen geht das gut. Doch dann trifft sie die Schreibblockade und nichts geht mehr.

Wenn das gewohnte Vorgehen beim wissenschaftlichen Schreiben (Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten jeder Art) nicht mehr funktioniert, sollte man es mal ganz anders probieren. So lassen sich Schreibblockaden (writers block) vermeiden. Um nun zu überlegen, wie man es denn „ganz anders“ probieren könnte, sollte man erst einmal analysieren, zu welchem Schreibtyp man gehört – um dann einmal das Gegenteil zu versuchen.

Welcher Schreibtyp bist Du?

  • akribisch
  • unsicher
  • action-mäßig
  • planfrei

Die Akribischen beim wissenschaftlichen Schreiben

Kein schlechter Charakterzug für einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin, akribisch zu sein. Doch beim Scientific Writing versuchen die Akribischen oft, in jedem einzelnen Satz die 100%ige Wahrheit zu formulieren – mit allen Details, allen Einschränkungen und allen Ausnahmen. Die Arbeit an einem Satz dauert so eine Ewigkeit, der Satz wird immer länger und das Schreibprojekt geht nicht voran.

Die Lösung ist also, die Blickrichtung einmal zu wechseln – weg von den einzelnen Sätzen und ihren vielen Details und hin zum – völlig unakribischen – Gesamtbild. Weg von den einzelnen Pinselstrichen und hin zur groben Kontur.

Das heißt: Bevor Sie anfangen, sich mit Sätzen und wissenschaftlichen Formulierungen abzumühen, beschreiben Sie erst einmal den Inhalt eines Absatz mit einfachen Worten – und notieren sich vielleicht die Details, die Sie später zum Formulieren brauchen in Stichpunkten. Und bevor Sie sich mit einzelnen Absätzen abmühen, skizzieren Sie erst einmal das gesamte Kapitel – indem Sie mit simplen und unwissenschaftlichen Worten den ungefähren Ablauf der Argumentation aufschreiben. Und bevor es überhaupt losgeht, verfassen Sie erst einmal einen Entwurf Ihres Abstracts oder Ihrer Zusammenfassung – ohne Zahlen und Details. So erhalten Sie das grobe Gesamtbild Ihres Papers oder Ihrer Doktorarbeit. Anschließend kann die Detailarbeit beginnen.

Die Unsicheren beim wissenschaftlichen Schreiben

Neulich war eine Doktorandin bei mir im Kurs zur medizinischen Promotion, die eigentlich alles richtig machte: Sie plante ihr Schreibprojekte und ging sehr systematisch vor. Doch auch ihr drohte eine Schreibblockade. Denn morgens, wenn sie mit der Arbeit begann, löschte sie erst einmal weite Teile ihres am Vortag geschriebenen Textes. Sie klangen ihr zu unwissenschaftlich und sie hatte Angst, den Text ihrem Professor zu zeigen.

Die Lösung: Sie musste mir versprechen, nichts mehr zu löschen, bis sie eine komplette Version ihrer Doktorarbeit zusammen hatte. Das Löschen und Umschreiben sollte sie auf einen separaten Arbeitsschritt, auf die spätere Überarbeitung der Doktorarbeit verbannen. Um ihr morgendliches Korrekturlesen (und Löschen) zu vermeiden, schlug ich ihr vor, jeden Tag mit einer neuen Datei zu beginnen und sich den Dateinamen in ihrer Gliederung zu notieren, um so den Überblick zu behalten.

Die Action-Helden beim wissenschaftlichen Schreiben

Diese Schreibtypen sind am liebsten im Labor – dort also, wo es stinkt und zischt, wo die Zentrifugen röhren und wo die hübsche Technikerin gerade dann vorbeiläuft, wenn man am Fenster steht und in Denkerpose den Röntgenfilm gegens Licht hält. Das Schreiben im stillen Kämmerchen ist ihnen zu fad, zu profan. Diese Schreibtypen haben meist das Problem, dass sie keinen Einstieg finden und es keine fünf Minuten durchhalten, an ihrem Text zu arbeiten.

Tja, das Schreiben gehört aber nun einmal einfach dazu. Wenn Ihr euch im Kino den neuen Bruce Willis anseht, dann stellt euch einmal vor, dass er abends, nachdem er den ganzen Tag aus fahrenden Autos gesprungen ist, um sich mit irgendwelchen Gaunern zu prügeln, auch noch seinen Bericht tippen muss – im Zweifingersystem auf einem alten IBM.

Das Gegenteil von Action? Absolute Ruhe. Action-Helden hilft es meist, sich zum wissenschaftlichen Schreiben in Klausur zu begeben – sich 3 oder 4 Stunden am Stück oder besser noch den ganzen Tag Zeit zu nehmen, die Tür abzusperren und das Ladekabel ihres Handys irgendwie zu verlieren. Irgendwann kommt man dann schon runter und das wissenschaftliche Schreiben kann beginnen.

Die Planfreien beim wissenschaftlichen Schreiben

„Planfrei“ ist dabei überhaupt nicht wertend gemeint. Es sind meist Menschen, die ihr Schreibprojekt mit maximaler Motivation beginnen und sich mit 1000 Ideen im Kopf ans Werk machen. Sie kapitulieren meist vor den vielen Details – zu viele Daten, zu viele formale Anforderungen und dann noch die 1000 Ideen. Wenn man das nicht vor dem Schreibprozess ordnet, muss man scheitern.

Die Lösung ist das Gegenteil von Planfreiheit, also Struktur – nicht die Struktur des Textes, sondern auch die des Schreibprozesses. Und die kann man lernen (für biomedizinischen Originalartikel – hüstel – etwa hier: Das Paper-Protokoll).

  • So kann man etwa mit der Gliederung der Ergebnisse beginnen, um eine geschickte wissenschaftliche Argumentation zu skizzieren.
  • Dann könnte man die Fragestellung und die Schlussfolgerung formulieren, damit aus den Ergebnissen eine runde Sache wird.
  • Wenn man dann noch die Relevanz des Forschungsprojektes beschreibt sowie den methodischen Ansatz, hat man alle Eckpunkte für ein solides Konzept zusammen.
  • Auf der Grundlage des Konzeptes erstellt man nun eine Gliederung, dann folgen das Schreiben der Rohfassung und die abschließende Überarbeitung.

Fazit

Wenn es mit den bisherigen Schreibgewohnheiten nicht mehr klappt, sollte man sie einmal komplett auf den Kopf stellen: Wer zu akribisch ist, beginne mit dem Groben. Wer zu unsicher ist, blicke nicht zurück. Wer die Action braucht, begebe sich in Klausur. Wer planfrei ist, halte sich an eine Anleitung.