Dr. Stefan Lang am 05. September 2018

Backtracking im wissenschaftlichen Paper – wenn man einen Satz zweimal lesen muss


Kategorie Kampagne für Verständlichkeit

Es macht keinen Spaß, in einem wissenschaftlichen Paper einen Satz mehrmals lesen zu müssen, um ihn zu verstehen. Heute im Blog: Drei Versuche, sich kurz auszudrücken, die aber zu Sätzen führen, die man zweimal lesen muss: respectively, vice versa, the former-the latter.

Backtracking – das ist der Blick zurück, zurück zum Satzanfang, um sich den Inhalt des eben gelesenen Satzes noch einmal vor Augen zu führen. Kein Leser tut das gern, da der Lesefluss immer wieder unterbrochen wird.

‚Respectively‘ im wissenschaftlichen Paper

The mean level of protein complexes consisting of protein XY and protein YZ in livers and spleens were 2.1 µg and 1.8 µg per mg tissue, respectively.

Klar, mithilfe von “respectively” ist die Zuordnung zweier Paare eindeutig: liver hat 2.1 µg und spleen hat 1.8 µg.

Doch je länger ein Satz ist, desto schwieriger wird es, Organe und Werte auf Anhieb richtig zuzuordnen (zumal der Proteinkomplex wiederum aus zwei Proteinen besteht – das verkompliziert die Lage).

Die Folge: Backtracking – der Leser muss im Paper zurückspringen und den Satz noch einmal lesen.

Besser: The mean level of protein complexes consisting of protein XY and protein YZ was 2.1 µg (liver) and 1.8 µg per mg tissue (spleen).

‚Vice versa‘ im wissenschaftlichen Paper

Several participants reported taking a food supplement low in calories and cholesterol but high in protein, or vice versa.

Auch hier: „Vice versa“ soll die unnötige Wiederholung der Ergänzungsmittel vermeiden. Doch der Satz fordert dem Leser eine gewisse Konzentration ab. Ist seine Konzentration zu gering, muss er den Satz zweimal lesen. Backtracking – bei schwierigen Sachverhalten sollte man in seinem Paper daher auf die Verkürzung mit „vice versa“ verzichten. Selbst auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen.

Besser: Several participants reported taking a food supplement low in calories and cholesterol but high in protein or, conversely, high in calories and cholesterol but low in protein.

‚The former – the latter‘ im wissenschaftlichen Paper

For both treatment regimens tested in this study, namely drug X (15 mg/day) combined with drug Y (5 mg/day) and drug Z (30 mg/day) alone, the incidence of moderate side effects for the former was 3.9% and 2.1% for the latter.

Auf Anhieb nicht so einfach: drei Medikamente und dann “the former” und “the latter“. Auch hier ist beim Leser ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit notwendig. Machen wir es ihm leicht:

Besser: For both treatment regimens tested in this study, the incidence of moderate side effects was 3.9% for drug X (15 mg/day) combined with drug Y [5 mg/day] and 2.1% for drug Z (30 mg/day).

Fazit

Nichts spricht generell gegen die Verwendung von “respectively”, “vice versa” und “the former–the latter“ in einem wissenschaftlichen Paper. Nur: Wissenschaftliche Sätze sollten so einfach wie möglich sein, denn ihr Inhalt ist schwer genug. Also speziell hier auf Verständlichkeit achten: respectively, vice versa, the former-the latter.