Dr. Stefan Lang am 17. November 2021
Publizieren in der Medizin: Zielpublikum
Kategorie Kampagne für Verständlichkeit
Fast jeder Schreibratgeber empfiehlt, vor Beginn eines Schreibprojektes seinen Leser kennenzulernen. Beim Publizieren von Fachartikeln in der Medizin hat man es natürlich mit einem Fachpublikum zu tun. Doch auch das Fachpublikum ist keine homogene Gruppe – man muss zwischen Wissenschaftlern und Experten zu unterscheiden.
Wenn man einen Fachartikel in der Medizin publizieren möchte, hat man es je nach Fachjournal entweder mit Wissenschaftlern oder Wissenschaftlerinnen im Allgemeinen oder mit Experten einer bestimmten Indikation zu tun.
Die erste Stelle im Fachartikel, an der diese Unterscheidung wichtig ist, ist der Anfang der Introduction Ihres Fachartikels.
Unterscheidung Zielpublikum: Wissenschaftler vs. Experten
Angenommen, Sie haben in Ihrem Projekt an einer möglichen Beteiligung genetischer Faktoren an der Entstehung der Multiplen Sclerosis (MS) gearbeitet. Ihre Ergebnisse können Sie nun entweder in einem Journal publizieren, das sich generell mit molekularen Zusammenhängen oder mit neurodegenerativen Erkrankungen im Allgemeinen beschäftigt. Oder Sie wählen ein Journal, das ausschließlich Paper zur Indikation MS publiziert.
Das Zielpublikum ist dann entweder die Wissenschaftswelt im Allgemeinen (bzw. Neurologen) oder aber Experten auf dem Gebiet MS.
Für die Wissenschaftswelt publizieren
Richten Sie Ihr Paper an die Wissenschaftswelt im allgemeinen, sollten Sie zu Beginn der Introduction die Relevanz der Erkrankung MS verdeutlichen und dann außerdem die Erkrankung kurz charakterisieren:
„MS is a demyelinating disease of the central nervous system …“; „… is characterized by inflammation, demyelination, lesion formation and axonal damage“; „relapsing-remitting MS and primary progressive MS …“.
Für den Experten, also den Leser einer indikationsspezifischen Fachzeitschrift, die sich ausschließlich mit MS beschäftigt, wären diese Sätze nicht nur überflüssig. Sie wären fast eine Zumutung, da es für diese Zielgruppe wohlbekannte Grundlagen sind.
Für Experten publizieren
Bei einer indikationsspezifischen Fachzeitschrift muss man sich auf einen spezifischen Aspekt fokussieren – also auf die mögliche Beteiligung bestimmter Faktoren:
„MS is an autoimmune disease of the CNS for which genetic risk factors have been identified.“
Eine weitere, grundlegende Beschreibung der Erkrankung an sich wäre hier fehl am Platz.
Was muss definiert werden?
Ebenso können Sie beim Zielpublikum „Experten“ auf Definitionen verzichten, die eine allgemeine,medizinisch-vorgebildete Leserschaft durchaus benötigen würde – etwa die Definition der MS-Subtypen (RRMS, SPMS, PPMS etc.).
Immer wichtig beim Publizieren in der Medizin
Kommunikation
Egal, ob man für Wissenschaftler und Ärzte im Allgemeinen oder Spezialisten schreibt: Die Grundregeln der Kommunikation sowie die formalen Ansprüche an wissenschaftliche Texte gelten für beide Zielgruppen gleichermaßen.
So verbessern Maßnahmen, die Verständlichkeit eines Textes zu erhöhen, in beiden Gruppen die Informationsaufnahme:
- Kurze und aktive Sätze
- eine einfache Wortwahl (abgesehen von Fachbegriffen)
- Platzierung wichtiger Botschaften an besonders exponierten Textpositionen (Topic Sentence, Beginn und Ende von Texteinheiten [Absatz, Abbildungslegende, Kapitel]).
Formale Regeln
Ebenso gelten alle formale Regeln für beide Gruppen. Besonders häufig wird in Experten-Journals das konsequente Einführen der Abkürzungen vernachlässigt. Man wähnt sich unter Profis und meint, grundsätzlich nichts mehr erklären zu können.
Klar, wenn das Journal „Radiotherapy“ heißt, kann man sich erschließen, wofür die Abkürzung „RT“ steht. Doch wird diese Abkürzung nicht eingeführt, werden bestimmt jeweils 10 % der Leser die Abkürzung als „room temperature“ oder „reverse transcriptase“ verstehen. Diese Leser gehen dann womöglich verloren.
Fazit
Mehr Infos und Anleitung zum Paper-Schreiben finden Sie hier im Blog oder im Paper-Protokoll.