Dr. Stefan Lang am 29. April 2021

Wie ehrlich sind klinische Abstracts?


Kategorie Schreib- und Publikationsprozess

Wenn sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eine Meinung über z.B. ein neues Medikament bilden wollen, lesen sie oft nur den Abstract einer Studien-Publikation. In vielen Papern zu Phase III-Studien wird jedoch die Wirksamkeit im Vergleich zur Sicherheit überbetont – gerade in den Abstracts.

Meta-Analyse: Wie gut sind klinische Abstracts?

Werden in den Anstracts klinischer Studien auch die Nebenwirkungen ausreichend berücksichtigt? Dieser Blogbeitrag fasst die Ergebnisse der Meta-Analyse von Komorowski et al. zusammen: Quality of adverse event reporting in phase III randomized controlled trials of breast and colorectal cancer: A systematic review.

Das Ergebnis: In vielen Publikationen zu Phase III RCT (breast & colorectal cancer) wurden Nebenwirkungen (adverse events [AE]) unzureichend dargestellt – besonders gilt dies für die Abstracts.

Zwar wurden im Text der Paper eigentlich immer (99,4%) auch die AE publiziert, aber eben nicht in den dazugehörigen Abstracts. Nur 59,6 % der Abstracts berichteten AE ausreichend.

Dieses Ergebnis bestätigt die Meta-Analyse von Berwanger et al, wonach in vier großen medizinischen Journals in nur etwa der Hälfte der Paper auch AE in den Abstracts genannt wurden. In einer Meta-Analyse zu Breast Cancer RCT aus 2013 waren es nur 32%.

Klinische Abstracts: Gibt es Grund zur Hoffnung?

Zwei Lichtblicke gibt es jedoch: Laut Komorowski et al. hatten die Abstracts von kürzlich erschienenen klinischen Papern eine höhere Qualität als die von älteren Papern (p = 0.0004).

Und: Die Abstract-Qualität war ebenfalls höher, wenn kommerzielle Unternehmen als Sponsoren beteiligt waren (allein [p = .002] oder zum Teil [p = .003]).

Dies könnte daran liegen, dass in neueren Papern die Guidelines zur Datenerhebung und Publikation zuverlässiger berücksichtigt werden.

Kein Cherry Picking im Abstract

Eigentlich gilt es ja für alle Publikationen, ganz gleich ob es sich um experimentelle, präklinische oder klinische Studien handelt: Der Abstract muss in allen wichtigen Punkten mit dem Paper übereinstimmen.

In einen Abstract gehören also alle wichtigen Befunde der Result-Section, gerade auch die Angaben zur Sicherheit. Die „Rosinenpickerei“ ist nicht in Ordnung.

Fazit zum Abstract und nützliche Links

Die notwendigen und allgemein akzeptierten Standards zum Verfassen eines Abstracts (in einem klinischen Paper) werden also noch immer nicht ausreichend eingehalten.

Autoren und Autorinnen klinischer Studien sollten gewissenhaft die Consolidated Standards of Reporting Trials (CONSORT) befolgen. Autoren und Autorinnen anderer Studien finden hier entsprechende Guidelines: https://www.equator-network.org/

Dr. Stefan Lang

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