Dr. Stefan Lang am 19. August 2024

Warum das Löschen zum wissenschaftlichen Schreiben gehört


Kategorie Schreib- und Publikationsprozess

Beim wissenschaftlichen Schreiben kann man sich manchmal so richtig vergallopieren. Dann schreibt man Sätze zu vermeintlich interessanten Aspekten, nur um dann festzustellen, dass sie einfach nicht in die Story z.B. der Doktorarbeit passen. Was tun? Die Sätze im Text zu belassen, nur weil man viel Zeit in sie investiert hat? Nein, keine Option.

Eine Sache sollten wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen: Am Ende des Tages soll unser Text gelesen und verstanden werden und Leser und Leserin einen echten Mehrwert bieten. Ein wissenschaftlicher Text ist kein Rechenschaftsbericht des Autors oder der Autorin, sondern soll Informationen vermitteln.

Das bedeutet nicht nur, dass unser Text alle notwendigen Informationen bereitstellen sollte, die zum Verständnis des Themas notwendig sind. Es bedeutet auch, dass unser Text nichts enthalten sollte, was Leser und Leserin vom Kern der Informationen ablenkt, ihn oder sie auf die falsche Fährte lockt oder völlig in die Irre führt. Das ist der Grund, warum auch das Löschen zum wissenschaftlichen Schreiben gehört.

Klarheit im Satz: Floskeln und Dekorationen löschen

Überflüssige und rein dekorative Wörter sollte man beim wissenschaftlichen Schreiben einer Doktorarbeit streichen.

Jeder Mensch benutzt ja diese Floskeln, die ja einfach nichts zum Sinn eines Satzes beisteuern, sondern in den Ohren des Autors oder der Autorin ja einfach gut klingen. Weg damit. Der Text wird künstlich aufgebläht und verliert an Prägnanz.

By the way: Dieses „ja“ kann leicht etwas überheblich klingen: „Da sich die DNA ja im Zellkern befindet…“. Zwischen den Zeilen liest man: „Das sollten Sie eigentlich wissen.“

Prägnanz im Absatz: Sich von liebgewordenen Sätzen trennen

Sätze, die nichts zum Inhalt beisteuern, kann man beim wissenschaftlichen Schreiben einer Doktorarbeit getrost löschen.

Ein Absatz sollte immer ein klar umrissenes Thema behandeln, denn nur so können Leser und Leserin die oft komplizierten Inhalte einer Doktorarbeit leicht aufnehmen. Wenn beim Schreiben die eigenen Gedanken etwas abdriften, kann es schon passieren, dass sich mal ein Satz in den Text einschleicht, der das behandelte Thema verlässt und sich in irrelevante Nebenaspekte verliert.

Ein entschuldbarer Fehler? Wäre es nicht schade um die Zeit, die man mit einem solchen Satz verbracht hat? Sollte man ihn nicht einfach stehen lassen? Nein, denn solche Sätze sind falsche Fährten, die die Verständlichkeit eines Wissenschaftstextes unnötigerweise beeinträchtigen.

Tragischerweise sind das meist genau die Sätze, die beim Schreiben die meiste Mühe gemacht haben und die man deshalb richtig liebgewonnen hat. Aber es hilft nichts: „In Writing, you must kill all your darlings“ (William Faulkner).

Texte straight to the point: Absätze streichen

In der letzten Konsequenz muss man sich im Worst Case auch von ganzen Absätzen trennen, wenn sie die Story des Textes in die falsche Richtung lenken. Versuchen Sie garnicht erst, eine andere Stelle zu finden, an die der Absatz passen könnte. Es gibt keine.

Löschen vermeiden, geht das?

Abgesehen davon, dass das Löschen garnicht so schlimm ist und einfach zum Handwerk gehört: Man kann es vermeiden oder zumindest minimieren, wenn man sich bei der Gliederung seines geplanten Textes besonders viel Mühe gibt.

Absatzplanung heißt das Zauberwort, ein oft vernachlässigter Aspekt beim wissenschaftlichen Schreiben (mehr dazu hier im Blog). Plant man Reihenfolge und Inhalt der einzelnen Absätze bereits beim Arbeitsschritt der Gliederung, kann man Irrwege vermeiden.

Und das klappt sowohl beim Schreiben auf Deutsch wie auch auf Englisch.

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