Dr. Stefan Lang am 21. September 2016

Was ist der Mittelwert wert?


Kategorie Statistik

Wenn Mark Zuckerberg in Ihre Nachbarschaft zieht, steigt das mittlere Einkommen an Ihrem Wohnort ins Unermessliche – aber Sie verdienen trotzdem keinen Cent mehr.

Mittelwert und mögliche Verzerrungen in Paper oder Doktorarbeit

Das kann zum Problem in einem wissenschaftlichen Text werden: Extreme Abweichungen verzerren den Mittelwert. In solchen Fällen ist es meist besser den Median zu berechnen und/oder die Standardabweichung(1) bzw. die Bandbreite anzugeben. Auch im nächsten Beispiel gaukelt der Mittelwert einen Effekt vor, der im Grunde nicht stimmt.

Beim wissenschaftlichen Schreiben kann der reine Mittelwert das wahre Ergebnis verfälschen.

Nackter Mittelwert ist unzureichend

In dieser Studie erhielten drei Studienteilnehmer ein Medikament gegent Frühjahrsmüdigkeit. Nach der Einnahme stieg bei einem der drei Studienteilnehmer die Wachheit extrem an (Z).  Bei den anderen beiden (X, Y) nahm sie dagegen ab.

Jetzt könnte man in seinem wissenschaftlichen Text schreiben:

Aufgrund der Behandlung war ein mean increase by 13.33 points zu beobachten (from 20 to 33.33).

Das klingt so, als wären jetzt alle ein wenig wacher. Toll – das Medikament funktioniert, zumindest suggeriert das der nackte Mittelwert ohne Angabe des Stichprobenumfangs oder der Standardabweichung.

Nackte Prozentangaben ungenügend

Man könnte bei dem obigen Beispiel aber auch schreiben: 67% der Teilnehmer waren schläfriger als vorher. Das Medikament funktioniert offenbar nicht. Das suggeriert zumindest die nackte Prozentangabe.

Außerdem „klingen“ die 67% so, als wäre der Stichprobenumfang größer gewesen. Zu Prozentwerten gehört daher immer auch die Angabe des Stichprobenumfangs: Es waren 67% der Teilnehmer  (2/3) schläfriger – so sieht das schon anders aus.

Zum Problem der reinen Prozentangabe lesen Sie doch den letzten Blog-Beitrag in dieser Kategorie: Wie viele waren das noch mal genau?

Fazit fürs wissenschaftliche Schreiben

Der Mittelwert ist anfällig für Verzerrungen durch stark abweichende Einzelwerte.

Notwendig ist daher je nach Art der Untersuchung der Stichprobenumfang, die Standardabweichung oder die Bandbreite.

Weniger anfällig für Verzerrungen ist der Median.

(1) Mehr zum Thema Standardabweichung bzw. zur Unterscheidung vom Standardfehler finden Sie in einem Review von Douglas G Altman: Standard deviations and standard errors. BMJ. 2005 Oct 15;331(7521):903. [Pubmed-Link]