Dr. Stefan Lang am 19. Juni 2017
Akademisches Schreiben: Wissenschaftsjargon lohnt sich nicht
Natürlich: Wer akademisch schreibt, will auch wie ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin „klingen“. Eigentlich genügt dafür der wissenschaftliche Inhalt. Denn der Wissenschaftsjargon entlarvt sich selbst.
Hey, ich bin einer von euch!
Als Neuling will man zeigen, dass man dazugehört. Deshalb benutzt man Wortwahl und Ausdrucksweise der angestrebten Gruppe als vermeintliches Erkennungszeichen – Teenager tun das, Besucher von Internet-Foren tun das und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen besonders der Medizin tun das auch.
So benutzen viele Promovierende die vermeintlich wissenschaftlichen Floskeln und Redewendungen, die sie bei ihren Professoren und Professorinnen aufgeschnappt haben.
Zu dumm ist nur, dass sich eine solche Pseudosprache von selbst entlarvt. Denn jeder, der in der Medizin arbeitet, weiß genau, was wirklich hinter den Floskeln und Redewendungen steckt. Hier ein paar Beispiele:
Akademisches Schreiben: Jargon entlarvt sich selbst
„seit langem bekannt“
- Wenn Sie schreiben:
Es ist seit langem bekannt, dass … - Dann weiß jeder: Sie hatten einfach keine Lust, nach der notwendigen Originalreferenz zu suchen.
„Typische Ergebnisse“
- Wenn Sie schreiben:
Abbildung 4 zeigt das typische Ergebnis von drei unabhängigen … - Dann weiß jeder: Abbildung 4 zeigt den einzigen Versuch, der überhaupt geklappt hat.
„weiterführende Studien“
- Wenn Sie schreiben:
Ein hochinteressantes Gebiet für weiterführende Studien … - Dann weiß jeder: Sie verfluchen heute noch Ihren Chef, weil er dieses unsinnige Thema ausgesucht hat.
„auf der Grundlage dieser Arbeit“
- Wenn Sie schreiben:
Auf der Grundlage dieser Arbeit sollten neue Projekte initiiert werden. - Dann weiß jeder, dass Sie denken: Ich geb´s auf. Sollen es doch die anderen machen.
Fazit Akademisches Schreiben: Jargon lohnt sich nicht
Er entlarvt sich selbst, der Jargon beim akademischen Schreiben. Also Finger weg und lieber vernünftige Sätze mit Inhalt schreiben. Ich plädiere für eine Jargon-freie Sprache.
Zum Schluss, für alle, die sich mal so richtig am hochnäsigen Wissenschaftssprech mancher Wissenschaftler ergötzen möchte, hier ein Beispiel, das ich neulich in einem schönen Artikel von Wolf Schneider gelesen habe (Verachten wir den Wissenschaftsjargon; Zeit Online, 2012):
„Die emphatische Standortbezogenheit, die Affirmation von Differenz und der dekonstruktivistische Blick, der explizite Traditionen und implizite Selbstverständlichkeiten als von Interessen gesteuert durchleuchtet, enthalten ein sozialrevolutionäres Potenzial, das auch für identitätspolitische Zwecke nutzbar gemacht werden kann.“