Dr. Stefan Lang am 17. August 2017
In welcher Fachzeitschrift soll ich meinen wissenschaftlichen Artikel veröffentlichen?
Kategorie Schreib- und Publikationsprozess
Keine einfache Sache beim Veröffentlichen wissenschaftlicher Artikel – die Wahl der richtigen Fachzeitschrift. Man sollte sich weder auf sein Bauchgefühl noch auf seine Kollegen verlassen, sondern analytisch vorgehen – hier ein paar wichtige Aspekte, die es zu bedenken gilt.
Die Wahl der Fachzeitschrift – nicht nach Bauchgefühl!
Die Studie abgeschlossen, alle Experimente erfolgreich – aber welche Fachzeitschrift ist denn nun die richtige für meinen Artikel (Paper)? Die passende Fachzeitschrift (Journal) nach Bauchgefühl auszuwählen ist keine gute Idee. Die Ko-Autoren (Mehrautorenschaft) mögen hilfreiche Ratschläge geben, doch oftmals widersprechen sich ihre Tipps und man ist genauso klug wie vorher.
Was wir also brauchen, sind objektive Kriterien, um für ein spezifisches Forschungsprojekt die passende Fachzeitschrift auszuwählen. Sehen Sie sich daher die folgende Kriterien an – und treffen Sie dann eine fundierte Entscheidung.
Pool an möglichen Fachzeitschriften
Journal Estimator
Im Web finden Sie sogenannte ‚Journal Estimators‘, bei denen Sie Ihren Abstract oder auch nur die wichtigsten Key-Words eingeben können. Anschließend erhalten Sie eine Liste von Fachzeitschriften, in denen thematisch ähnliche Artikel veröffentlicht wurden.
Pub Med gelistet?
Wenn Sie sich einen Pool an infrage kommenden Fachzeitschriften anlegen, achten Sie darauf, ausschließlich PubMed-gelistete Fachzeitschriften aufzunehmen. Die Listung bei der medizinischen Literaturdatenbank Pubmed ist ein wichtges Qualitätskriterium.
Ausrichtung
Scope des Journals
Informieren Sie sich über die Ausrichtung der Fachzeitschrift, ob sie sich auf klinische, angewandte Forschung oder grundlagenorientierte Arbeiten konzentriert, ob sie breit aufgestellt ist oder sich nur mit einem eng begrenzten Indikationsspektrum beschäftigt.
Open Access
Wer eine größtmögliche Verbreitung seiner wissenschaftlichen Daten anstrebt, wird sich wahrscheinlich für ein Open Access Journal interessieren. Informieren Sie sich in diesem Fall zu den Konditionen bzw. zu den Kosten einer Opern Access Publikation. [Erklärung Open Access; BMBF-Link]
Renommee
Impact Factor des Journals
Der berühmte Impact Factor allein ist sicherlich kein Maß für die wissenschaftliche Qualität eines Journals. Er sagt lediglich etwas darüber aus, wie oft es in den letzten zwei bzw. fünf Jahren zitiert wurde. Aus diesem Grund wurden andere Scores eingeführt (H-Index; Median h score).
Und dennoch: Alle achten auf den Impact Factor. Bei der Wahl seines Zieljournals kann man sich also nicht vollständig davon freimachen, denn der Impact Factor ist eine einfache und schnelle Möglichkeit, Fachjournale zu vergleichen (Journal-Liste und IF).
Breit aufgestellt oder hoch-spezialisiert
Etablierte und breit aufgestellte Fachzeitschriften haben eine hohe Auflage und sind in den meisten universitären Bibliotheken zu finden. Sie erreichen also ein großes Publikum und haben ein gewisses Renommee.
In einer relativ neu aufgelegten und thematisch hochspezialisierten Fachzeitschrift sind dagegen die Publikationschancen etwas besser, also die Chancen auf ein accepted, da die Zahl der eingereichten Manuskripte in der Regel geringer ist. Wenn Sie eher Spezialisten erreichen wollen, kommen also gerade auch junge und spezialisierte Fachzeitschriften infrage. Achten Sie dann jedoch auf diese zwei Dinge:
- Wählen Sie ein internationales Journal und keine regional begrenzte Zeitschrift.
- Sehen Sie sich außerdem das Editorial Board an und recherchieren Sie, ob dessen Mitglieder wenigstens zum Teil noch aktive Wissenschaftler sind.
Timeline: Wie lange dauert es bis zur Veröffentlichung?
Rejection Rate der Fachzeitschrift
Eine entscheidende Frage: Wie hoch ist die Ablehnungsquote der Fachzeitschrift? Eine sehr hohe Ablehnungsquote bedeutet, dass Sie wahrscheinlich viel Zeit benötigen werden, bis Sie Ihren Artikel in dieser Fachzeitschrift veröffentlichen können. Andererseits korrelliert natürlich eine sehr hohe Rejection Rate mit der Höhe des Impact Factors.
Eine sehr geringe Ablehnungsquote kann bedeuten, dass das Journal noch sehr unbekannt ist, weil dort offensichtlich nur sehr wenige Manuskripte überhaupt eingereicht werden. Finger weg, wenn ein Journal Ihnen bereits vor dem Review-Prozess eine Veröffentlichung in Aussicht stellt und gleichzeit einen Beitrag zu den Publikationskosten von Ihnen verlangt.
Für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vor Ablauf Ihres Arbeitsvertrags publizieren müssen, ist eine mittlere Ablehnungsquote wahrscheinlich genau richtig, also ein Kompromiss aus Impact Factor und Zeitbedarf bis zur Veröffentlichung.
Artikel zur Ablehnungsquote im Labor-Journal: „Journals weisen Kunden ab — und sind stolz drauf“
Dauer der Begutachtung
Eine weitere Frage, die für Sie natürlich auch von einem gewissen Interesse ist: Wie lange dauert der gesamte Begutachtungsprozess? Je kürzer desto besser, klar. Manche Fachzeitschriften geben auf ihrer Homepage einen Durchschnittswert an.
Auch wichtig: Wie lange dauert es von der (erfolgreichen) Begutachtung bis zur Publikation [Übersicht Peer-review]? Die Frage, wie lange es dauert, ein Paper zu schreiben, habe ich unlängst in einem Beitrag behandelt (Paper schreiben: Wie lange dauert das?).
In Fachzeitschriften veröffentlichen: weitere Details
Anonymität bei der Begutachtung
Ist der Review-Prozess verblindet? Auch diese Frage ist nicht uninteressant. Bei manchen Journalen kennen weder die Herausgeber noch ihre Gutachter Ihre Identität, bei anderen sind Sie nur für die Gutachter anonym. Umgekehrt wissen auch die Autoren nur selten, wer Ihre Gutachter sind.
Ich halte die vollständige Anonymität im Begutachtungsprozess für einen großen Vorteil. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass sich namentlich bekannte Gutachter intensiver und manchmal auch fairer mit einem Manuskript auseinander setzen. [hierzu: Morse JM. 2014. Why we blind: anonymity in the review process. Qual Health Res.24(11):1467-8. (PubMed-Link)].
Umfang des Artikels
In einigen Fachzeitschriften ist der Umfang der Originalartikel und Reviews stark reglementiert. Während einige Fachzeitschriften für Originalartikel 4.500 Wörter oder mehr erlauben, ist bei anderen Fachzeitschriften der Umfang deutlich geringer. Auch dies kann ein Kriterium sein.
Journalwahl: Fazit
Diese einzelnen Aspekte müssen Sie nun gewichten und priorisieren und sich vielleicht einen Entscheidungsbaum erstellen, der Ihnen bei der Wahl des richtigen Fachjournals hilft.
Nach Jahren der Forschung und Wochen des Schreibens – gönnen Sie sich für diese wichtige Entscheidung ausreichend Zeit.