Dr. Stefan Lang am 22. Oktober 2018
Mythen über wissenschaftliche Poster
Während einer Poster-Sessions können sich Kongressbesucher die wissenschaftlichen Poster der meist jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ansehen. Vor manchen Postern ist ein ziemliches Gedränge, vor anderen Postern tut sich gar nichts. Woran liegt das? Am Poster, wenn der fettgedruckter Titel den Betrachter erschlägt, ein übermäßiger Textanteil dem Betrachter ernste Kopfschmerzen bereitet, und die Farbwahl eine Beleidigung fürs Auge ist.
Wie kommt es, das manche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen so richtig schlechte Poster produzieren? Erste Möglichkeit: Sie wollen ihre Ruhe haben. Zweite Möglichkeit: Sie wussten es nicht besser. Irgendein Kollege hat ihnen vielleicht ein paar Mythen zur wissenschaftlichen Posterpräsentation erzählt, die allesamt falsch waren.
Sieben Mythen zu wissenschaftlichen Postern
Mythos 1: Ein Poster ist so etwas wie ein Originalartikel?
Ein Poster bzw. der dazugehörige Abstract kann zwar auch zitiert werden, doch ein wissenschaftliches Poster kann nie den gleichen Informationsgehalt vermitteln wie ein Originalartikel (Research Paper).
Ein Poster ist kein komprimierter Originalartikel. Sein Informationsgehalt entspricht vielmehr dem eines Abstracts. Daher kann man den Textanteil seines Posters gering halten und stattdessen eher Abbildungen, Grafiken und Tabellen zeigen.
Poster ≠ Paper; Poster = Abstract
Mythos 2: Der Besucher möchte Ihre Ergebnisse „nachkochen“?
Kein Kongressbesucher versucht, auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Posters irgendwelche Experimente nachzukochen. Daher genügt es, im Abschnitt „Methodik“ ausschließlich die Basics zu nennen.
Mann kann sich also auf die wichtigsten Charakteristika der Studienteilnehmer oder Versuchstiere, auf das grundlegende Behandlungsschema und die Namen der verwendeten Untersuchungsmethoden beschränken.
Poster Methodik: Nenne das „Was“ (aber nicht das „wie“)
Mythos 3: Der Besucher eines Posters will alle Daten sehen?
Umfangreiche Tabellen, am besten Rohdaten, die man nur mit gezückter Lesehilfe entziffern kann… Kein Kongressbesucher will mit Ihnen über Zahlen sprechen – wohl aber über Ergebnisse. Ergebnisse sind das, was man bekommt, wenn man Daten auswertet, vergleicht und in Relation zueinander setzt.
Daten ≠ Ergebnisse (Ergebnisse sind mehr als nur Daten)
Mythos 4: Die Posterpräsentation ist wie ein Vortrag?
Ein klassischer Vortrag auf einem wissenschaftlichen Kongress dauert etwa 15 Minuten. Doch solange wird nur selten jemand vor ihrem Poster stehen bleiben.
Die meisten bleiben 3 bis 5, Minuten, manchmal etwas länger. Überlegen Sie also gut, was Sie alles auf Ihrem Poster zeigen möchten. Fassen Sie sich kurz. Üben Sie, sich kurz zu fassen.
Sie müssen auch Ihren Postertext nicht in vollständigen Sätzen formulieren. Oft tun es auch Bullet Points.
Posterpräsentation (3 min) ≠ Vortrag (15 min)
Mythos 5: Der Inhalt ist wichtiger als die Form?
Schön gedacht, nur wird sich niemand mit dem Inhalt Ihres Posters befassen, wenn die äußere Form abstoßend ist – etwa weil das Poster schlampig gestaltet wurde oder eine stilistische Zumutung ist.
Geben Sie Ihrem Poster also eine übersichtliche Struktur und verwenden Sie Schrifttypen, Schriftgrößen und Farben einheitlich. Sorgen Sie für ein ordentliches Alignment. Das bedeutet, dass die verschiedenen Text- und Bildelemente klare Linien ergeben.
Ob man dafür eine Profi-Design-Software benötigt? Nö, auch mit Powerpoint kann man ein ansprechendes Design gestalten.
Poster = Gestaltung
Mythos 6: Ein Poster muss auffallen?
Das funktioniert genauso wenig, denn wir bewegen uns auf einem Kongress immer noch in einem wissenschaftlichen Umfeld. Klar, man darf Aufmerksamkeit und Interesse wecken – mit einem ausreichend großen Titel, einem Eye-Catcher oder Blickfang (z.B. eine gute Abbildung) und vor allem durch bestechende Klarheit.
Das ist aber kein Grund, für ein „fancy“ Poster, mit schrillen Farben und albernen Schrifttypen. Die meisten Kongressbesucher würden das nicht gut finden.
Poster ≠ Marketing
Mythos 7: Eine Posterpräsentation ist eine ganz zwanglose Veranstaltung?
Und deswegen sind zerrissene Jeans und ein Batik-Shirt in Ordnung? Vielleicht, wenn der Kongress in Kalifornien oder auf Hawai stattfindet.
Die Postersession ist zwar viel zwangloser als ein Vortrag, aber trotzdem: Es ist ein professionelles Umfeld, das an die Kleidung und das Benehmen doch ein paar Anforderungen stellt.
Poster ≠ Small Talk
Sieben Regeln zur Gestaltung eines wissenschaftlichen Posters
Es gibt sieben klare Regeln, die man bei der Gestaltung eines wissenschaftlichen Posters berücksichtigen sollte:
- [1] Der Informationsgehalt eines Posters entspricht dem eines Abstracts. Überlegen Sie gut, was Sie zeigen möchten.
- [2] Beschränken Sie vor allem den Textanteil des Abschnitts „Methodik“. Denn niemand wird versuchen, auf Grundlage Ihres Posters die Experimente nachzukochen.
- [3] Zeigen Sie keine endlosen Zahlenkolonnen. Stellen Sie besser in übersichtlichen Tabellen oder klaren Abbildungen dar, was Ihre Zahlen bedeuten.
- [4] Zeigen Sie auf Ihrem Poster nur das, was man in 3 bis 5 Minuten lesen bzw. erzählen kann.
- [5] Geben Sie Ihrem Poster eine klare Struktur und benutzen Sie einheitliche Schrifttypen und Farben. Gestaltung ist wichtig.
- [6] Versuchen Sie nicht, um jeden Preis aufzufallen. Ihr Zielpublikum sind Wissenschaftler, nicht Kunden.
- [7] Seien Sie professionell. Die Postersession ist zwar eher zwanglos, aber dennoch bewegen Sie sich im wissenschaftlichen Umfeld.
Dr. Stefan Lang
Wissenschaftliche Poster
Vom Kongressabstract bis zur Postersession
Für junge Forscher oft der erste Kontakt zur Wissenschaftswelt: die Präsentation eines Posters auf einem internationalen Kongress. Dieses Buch behandelt alle nötigen Schritte: vom Kongress-Abstract über die Gestaltung des Posters bis zur Postersession.
Wissenschaftliche Poster
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Paperback ISBN : 978-3-7469-2343-7
Hardcover ISBN : 978-3-7469-2344-4
E-Book ISBN : 978-3-7469-2345-1