Dr. Stefan Lang am 12. Februar 2019
Medizintexte – unklare Satzanfänge vermeiden
Kategorie Kampagne für Verständlichkeit
In Medizintexten sind Informationen dicht gepackt. Damit sich Leser und Leserin zurechtfinden können, sollten sie bereits am Satzanfang erfahren, in welchem Zusammenhang die Informationen zueinander stehen. Ist der Satzanfang jedoch unklar, tappt man im Dunkeln. Die Verständlichkeit leidet.
Es gibt vor allem drei Arten von unklaren Satzanfängen, die zu Unklarheiten in Medizintexten führen:
- Unklare Demonstrativpronomen (verschiedene Interpretationsmöglichkeiten)
- Oberbegriffe (verschiedene Interpretationsmöglichkeiten)
- Vage Bezüge (nebulöser Zusammenhang)
Unklare Demonstrativ-Pronomen
Typ-A Medikamente binden unspezifisch an Ionenkanäle und sind unter physiologischen Bedingungen inaktiv. Typ-B Medikamente binden dagegen spezifisch an Ionenkanäle. Diese werden durch hohe MgSO4 Serumkonzentrationen aktiviert.
„Diese“ ist ein Demonstrativpronomen. Grammatikalisch betrachtet bezieht es sich immer auf das letzte Hauptwort (Ionenkanäle). Inhaltlich betrachtet würde ich es eher auf Typ-B Medikamente beziehen. Denn im Satz zuvor wurde auch etwas zur Aktivität von Typ-A Medikamenten gesagt.
Man kann diesen Satzanfang also grammatikalisch (Kanäle) oder inhaltlich (Medikamente) interpretieren – Missverständnisse sind so vorprogrammiert. Dies passiert beim Schreiben in der Medizin sehr häufig. Demonstrativpronomen am Satzanfang machen zwar eine schöne Überleitung, aber sie müssen eindeutig sein.
Abhilfe: Das entsprechende Wort einfach wiederholen: „Diese Medikamente werden durch hohe MgSO4 Serumkonzentrationen aktiviert.“
Unklarer Oberbegriffe
Senkovan (2,5 mg / Tag) reduzierte die Blut-Glukose Konzentration um 30 %. Reductan (1,7 mg/ Tag) verminderte die Blut-Glukose Konzentration nur um 12 %. Die Therapie führte zu folgenden unerwünschten Nebenwirkungen: …
Was ist mit „Therapie“ (Oberbegriff) gemeint? Reductan, Senkovan oder beiden Medikamenten? Das bleibt in diesem Beispiel unklar. Auch hier sind Missverständnisse vorprogrammiert.
Abhilfe: Auch hier hilft einfach die Wiederholung: „Die Therapie mit beiden Medikamenten führte zu folgenden unerwünschten Nebenwirkungen: …“
Vage Bezüge am Satzanfang
Das Medikament XY ist für die Behandlung des chronischen Haarausfalls seit langem zugelassen. In diesem Zusammenhang kann ein therapeutischer Nutzen für den Akutfall angenommen werden. In der relevanten Zielpopulation bleibt die Anwendung einer nicht-medikamentösen Zusatzbehandlung hiervon unberührt.
Sind Sie sicher, wirklich sicher, worauf sich der „Zusammenhang“ am Anfang des zweiten Satzes bezieht? Was ist die ‚relevante‘ Zielpopulation? Und wovon bleibt die „Anwendung einer nicht-medikamentösen Zusatzbehandlung“ unberührt?
Klar, alle diese Formulierungen beziehen sich auf irgendetwas, das vorher gesagt wurde. Man muss aber sicher sein, dass Leser und Leserin das eindeutig zuordnen können.
Abilfe: Einfach schreiben, was man meint. Floskeln und Pseudo-Wissenschaftsjargon sollte man vermeiden.
„Das Medikament XY ist für die Behandlung des chronischen Haarausfalls seit langem zugelassen. Daher könnte ein therapeutischer Nutzen auch für den Akutfall angenommen werden. Auch im Aktufall können XY-behandelte Patienten weiterhin eine nicht-medikamentöse Zusatzbehandlung erhalten.“
Fazit: klares Schreiben in der Medizin
Unklare Demonstrativ-Pronomen, Oberbegriffe und dazu ein paar Vagheitsausdrücke – und schon driftet der Inhalt eines Medizintextes ins Nebulöse ab. Dabei ist das weiß Gott kein Anfängerfehler. Denn dieses Problem habe ich auch schon bei erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beobachtet.