Dr. Stefan Lang am 14. Juli 2022

Satzlänge ruiniert Ihren wissenschaftlichen Text


Kategorie Kampagne für Verständlichkeit

Der Klassiker unter den Verständlichkeitskillern: die Satzlänge. Kann man beim Lesen einen einzelnen Satz nicht mehr auf Anhieb verstehen (und auch nicht nach dem zweiten und dritten Versuch), leidet die Verständlichkeit des gesamten Textes.

Und nicht nur das. Leser und Gutachter Ihrer Doktorarbeit, Ihres Papers oder Ihres Forschungsantrags verlieren die Lust, sich noch länger mit Ihrem wissenschaftlichen Text zu beschäftigen. Der Gesamteindruck fällt entsprechend schlecht aus.

Kann man vermeiden. Dafür brauchen Sie keine Zusatzsoftware, die Satzlänge und Satzkonstruktion analysiert. Sie müssen sich lediglich an diesen Grundsatz halten:

Jede wichtige Information verdient ihren eigenen Satz.

Beispiel: Satzlänge ruiniert Text

Hier ein Beispiel aus einem wichtigen Wissenschaftstext, nämlich einem Dossier zur Nutzenbewertung: Afatinib – Modul 2 (2016).  

Mit Afatinib (Giotrif®) – als erstem irreversiblen ErbB (V-Erb-B2 Erythroblastic Leukemia Viral Oncogene Homolog)-Familienblocker – steht für eine molekular charakterisierte Population von Patienten mit EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor [epidermaler Wachstums-faktor-Rezeptor]-positivem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (Non-Small Cell Lung Cancer [NSCLC]) ein neuartiges und spezifisches Therapieprinzip zur Verfügung.

Mit 43 Wörtern ist der Satz sehr lang (zur Satzlänge kommen die vielen Einschübe). Der Autor hat es vielleicht gut gemeint, weil er jeden Fachbegriff und jede Abkürzung direkt an Ort und Stelle erklärte – damit keine Frage offenbleiben muss. Aber der Schuss ging dann doch nach hinten los, denn so einen Satz kann niemand am Stück lesen und auf Anhieb verstehen.

In einem wissenschaftlichen Satz drei Information auf einmal zu berichten, funktioniert nicht.

Grundsatz: Wissenschaftliche Sätze sind Informationseinheiten

Wenn wir diese Regel einfach stur anwenden, haben wir folgende Informationen, die jeweils einen eigenen Satz kriegen sollten:

  1. Was ist Afatinib? Afatinib (Giotrif®) ist der erste irreversible ErbB-Familienblocker (V-Erb-B2 Erythroblastic Leukemia Viral Oncogene Homolog). [13 Wörter]
  2. Welche Bedeutung hat Afatinib? Mit ihm steht für eine molekular charakterisierte Population ein neuartiges und spezifisches Therapieprinzip zur Verfügung. [15 Wörter]
  3. Was ist die Ziel-Population? Bei dieser Population handelt es sich um Patienten mit Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) positivem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (Non-Small Cell Lung Cancer [NSCLC]); EGFR: epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor). [25 Wörter]

Fazit

Halten Sie sich an die Regel mit den Informationseinheiten, dann werden Ihre Sätze zwangsläufig kürzer. In diesem Beispiel sind es 13, 15 und 25 Wörter – alles in Ordnung. Und: Die längeren Klammereinschübe stehen nun nicht mehr mitten im Satz, sondern am Satzende. Dort stören sie nicht.

In der Wissenschaft verdient jede Information einen eigenen Satz.

Tipp zum Schluss: Die Satzlänge in den Griff kriegen

  • Wenn Sie glauben, Ihre Sätze wären zu kurz und klingen irgendwie abgehakt, dann ist die Satzlänge wahrscheinlich optimal.
  • Geht ein Satz bei Standardschriftgröße über mehr als 3 drei Zeilen, ist er zu lang.