Dr. Stefan Lang am 14. März 2023

Gendern in der Medizin – Übersicht mit Video


Kategorie Stilfragen

Wie schreibt man gendergerecht in der Medizin? Mit Gender-Sternchen, Binnen-I, Schräg- oder Unterstrich? Oder besser mit geschlechterneutralen Formulierungen? Genügt ein Gender-Disclaimer? Wege der gendergerechten Sprache in der Medizin im Überblick (Video).

1000 Klicks in 5 Minuten und überlaufende Kommentar-Threads sind garantiert, wenn man sich mit dem „Ob“ beschäftigt: … ob es denn sinnvoll, notwendig, zwingend oder aber völlig abwegig ist, in einem Fachtext eine gendergerechte Sprache zu benutzen.

Ich betrachte diese Frage relativ gefühlsbefreit und widme mich hier stattdessen dem „Wie“: Wenn ich in meinem Medizin-Text gendern möchte, wie mache ich das? Welche Möglichkeiten gibt es, mit allen Vor- und Nachteilen?

Im Video diskutiere ich diese Möglichkeiten:

  • Gender-Disclaimer
  • Gender-Sternchen
  • Binnen-I
  • Doppelpunkt
  • Schräg- und Unterstrich
  • geschlechterneutrale Formulierung
  • Doppelnennung
  • meine persönliche Empfehlung

Spoiler: Die richtige Wahl des genderneutralen Formulierens hängt auch vom Thema ab. Aber sehen Sie selbst.

8-Minuten-Video: Wie gendern in der Medizin?

Übersicht über das gendergerechte Formulieren

Gender-Disclaimer

Ein Disclaimer zu Beginn der Arbeit ist eine rein formale Lösung: „Die in dieser Doktorarbeit gewählte männliche Form bezieht sich immer zugleich auf weibliche und männliche Personen.“ Diese Lösung ist einfach , wird aber den Gründen für eine gendergerechte Sprache nicht wirklich gerecht.

Gendern mit Sternchen, Binnen-I und Unterstrich

Auch das Gendern mit Sternchen, Binnen-I und Unterstrich sind praktikable, weil bekannte und übliche Lösungen. Doch manchmal stößt man auf Probleme hinsichtlich Grammatik und Komplexität.

  • Grammatik: Im Akkusativ entstehen falsche Endungen (den Teilnehmer/-innen [für Männer eigentlich „Teilnehmern„], den Teilnehmern/-innen [für Frauen eigentlich „Teilnehmerinnen“]).
  • Komplexität: Medizintexte sind voller Abkürzungen, Klammereinschübe (z.B. p-Wert) und Fachbegriffe. Zusätzliche Sternchen-, Binnen-I- und Unterstrich-Konstrukte könnten die Lesbarkeit zusätzlich erhöhen (Bsp. im Video).

Geschlechterneutrale Formulierungen

Funktioniert in vielen Fällen: Promovierende statt Doktoranden und Doktorandinnen, Studienleitung statt Studienleiter. Durch was könnte man aber Patient und Patientin ersetzen? Durch „erkrankte Person“? Nein, denn erst, wenn eine erkrankte Person zu Arzt oder Ärztin geht, wird aus ihr ein Patient oder eine Patientin.

Genderneutrale Formulierungen funktioneren also oft, aber nicht immer.

Doppelnennung

Eine simple und präzise Lösung. Nachteil ist natürlich, dass die Texte länger werden, zumindest bei epidemiologischen Arbeiten, wo man ständig von Patienten und Patientinnen, Bewohnern und Bewohnerinnen etc. sprechen müsste. Bei molekular-medizinischen Grundlagenprojekten fiele das dagegen aber nicht ins Gewicht fallen.

Mein Praxis-Tipp für eine genderneutrale Sprache in der Medizin

Bei deutschsprachigen Texten benutze ich eine Kombination aus der geschlechterneutralen Formulierung, wo immer das sinnvoll ist, und der Doppelnennung. Manchmal verzichte ich an einzelnen Stellen auf das Gendern, nämlich immer dann, wenn aus dem Kontext hervorgeht, was gemeint ist (Es nahmen 150 Patienten an der Studie teil [52 % Frauen, 48 % Männer]).