Dr. Stefan Lang am 19. April 2021

Was ist so schlimm an einer Wiederholung im Scientific Writing?


Kategorie Kampagne für Verständlichkeit

Die Angst vor dem roten „W“ rechts am Rand (man kennt es aus der Schule) treibt Promovierende, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen direkt in die Synonymitis, also in den krampfhaften Versuch, eine Wortwiederholung um jeden Preis zu vermeiden.

Was bitte ist eigentlich so schlimm an einer Wortwiederholung im Scientific Writing? Ist es nicht Ausdruck größtmöglicher Einfachheit und Klarheit, für ein und dieselbe Sache auch den identischen Begriff zu benutzen? Einfach und klar – das sind zwei Grundanforderungen an das Scientific Writing.

Sehen wir uns die Folgen der Synonymitis einmal genauer an. Benutzt man etwa für ein und denselben Zelltyp verschiedene Begriffe wie ‚stem cells‘, ‚progenitor cells‘ und ‚precursor cells‘, wird der Leser nicht einen, sondern drei verschiedene Zelltypen erwarten.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Angst vor einer Wortwiederholung, aber das ist falsch.

Berichten sie in ihrem Manuskripts einmal von ‚Patienten‘ und später von ‚Erkrankten‘, wird zumindest ein Teil ihrer Leser von zwei verschiedenen Populationen ausgehen, die zwar beide diagnostiziert wurde, von denen aber womöglich nur erstere auch eine Behandlung erhielt.

Und wechseln sie in ihrem Text zwischen ‚Wachstumsfaktor‘ und ‚Zytokin‘ hin und her, erwarten die Leser zwei verschiedene Botenstoffe und sind am Ende gar enttäuscht, wenn sie irgendwann feststellen, dass jedesmal der platelet-derived growth factor PDGF gemeint war. Das heißt: Fachbegriffe sollten nicht variiert werden. Eine Wortwiederholung ist hier nichts schlimmes.

Synonymitis killt Verständlichkeit – so lautete ein Blogbeitrag, den ich vor einigen Wochen geschrieben habe. Der Grund, warum ich mich heute – Achtung Deutschlehrer – wiederhole: Im aktuellen Zeitmagazin (Nr. 16 vom 15.4.2021) habe ich einen Artikel von Harald Martenstein gelesen, der mir aus der Seele sprach: „Über Deutschlehrer, Korrektoren und die Lust an der Wiederholung“.

In diesem Text bilanziert Harald Martenstein:

„Es kommt beim Schreiben nicht vor allem auf Korrektheit und Regeln an, sondern auf Rhythmus, auf Sound, auf Pathos manchmal. Dazu sind Wiederholungen gut.“

Im Bezug auf das Scientific Writing würde ich das folgendermaßen umformulieren:

„Es kommt beim Schreiben nicht vor allem auf Korrektheit und Regeln an, sondern darauf, dass der Leser den Text verdammt noch mal versteht, präzise und eindeutig. Das gilt für die Doktorarbeit und fürs Paper.“